So viele Tempel gibt es auf Bali! Unzählige: Familientempel, Dorftempel, Nationaltempel. Die Insel schwingt.
Überall stößt man auf Opfergaben, die im Rahmen einer rituellen Handlung bis zu drei mal am Tag dargebracht werden.
Es sind kleine Schalen oder Tüten aus Bambus mit bunten Blüten geschmückt, in die weitere Gaben hinein gelegt werden: geringe Mengen an Essbarem, Geldscheinen, Zigaretten oder anderem, was dem Spender wichtig ist. Das Ritual besteht aus Gebeten, Räucherungen und der Segnung mit Weihwasser, das mit einer Blüte verspritzt wird.
Die Opfergaben werden dort platziert, wo sie Unheil verhindern und Glück bringen sollen: am Anfang einer Brücke, auf den in Stein gemeißelten Wächtern, auf dem Sitz eines Motorrollers, hinter der Windschutzscheibe im Auto, im Geschäft neben dem Fax, auf alle Fälle vor der Eingangstür und natürlich immer in den Tempeln.
Sehr außergewöhnlich ist der Todestempel Pura Dalem Jagaraga im Norden Balis. Er birgt einige architektonische Besonderheiten.
Nach den kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Holländern ist er 1848 zerstört und Ende des 19. Jahrhunderts wieder aufgebaut worden, jedoch nicht nach altem Vorbild. Die äußeren Mauern verweisen auf die damalige Invasion der Kolonialherren und bilden sie in symbolischen Reliefs ab: Ein Auto mit holländischer Flagge, der Fahrer wird von einem Anderen mit einer riesigen Pistole bedroht, ein Fahrrad sogar ein Flugzeug sind in Stein gemeißelt.
Auf der Innenseite der Mauer sind ein Kriegsschiff, ein großer Fisch und ein Menschen fressendes Krokodil abgebildet.
Jagaraga bedeutet „Seid auf der Hut“. Nachdem die Schlacht bei dem kleinen Dorf Sukapura zunächst gewonnen war, weil die Holländer Nachschubprobleme hatten, wurde es umbenannt.
Außergewöhnlich ist auch, dass man im Innern des Todestempels hinabsteigt. Die Stufen führen abwärts. Es ist, als ob man sich der Unterwelt nähert.
Der Ahnenschrein, der üblicherweise auf dem Friedhof aufgestellt wird, befindet sich hier, im Pura Dalem. Man versprach sich wohl während der Kriegswirren im Tempel mehr Schutz.
Die Tempelführung übernimmt ein dort ansässiger ehemaliger Lehrer. Der zierliche Mann entpuppt sich als sympatischer Schelm. Er hat nur noch zwei Zähne im Mund und lacht gerne. Auf jede Frage findet er eine kompetente Antwort. Als er anfängt, auf Sanskrit Mantren zu rezitieren, sind wir eingenommen von diesen tiefen, kräftigen Tönen, die er hervorbringt. Wir folgen ihm und lassen uns in seinen spirituellen Bann ziehen.
Er verbindet sich mit uns und bekommt zunächst einmal Gänsehaut. Dann erzählt er uns aus unserem Leben. Erstaunlich, was er über uns weiß.
Am Ende der Führung überreicht er uns zwei kopierte, ehemals handschriftlich geschriebene Seiten in englischer Sprache, damit wir alles nachlesen können.
Ganz unten steht sein Name.
Wir werden ihn vielleicht mal wieder besuchen und – Fotos mitbringen.